Grundlagenforschung für neuartige Ansätze zur Bekämpfung von Trypanosoma-Parasiten
Blut saugende Raubwanzen übertragen in Mittel- und Südamerika die Erreger der weit verbreiteten Chagas-Krankheit. Da die Krankheit schwere Symptome verursachen kann und es bislang keinen Impfstoff gegen die verursachenden Trypanosoma-Parasiten gibt, bekämpft man derzeit hauptsächlich die Raubwanzen und tötet sie mit Insektenvernichtungsmitteln. Ein deutsch-brasilianisches Wissenschaftsteam hat jetzt untersucht, wie Trypanosomen die Darmflora der Raubwanzen verändern. Das langfristige Ziel: Die Bakteriengesellschaft im Raubwanzendarm so zu verändern, dass die Raubwanzen selber die Trypanosomen bekämpfen können.
FRANKFURT. Zwischen sechs und sieben Millionen
Menschen überwiegend in Mittel-und Südamerika sind nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit mit Trypanosomen der Art Trypanosoma cruzi infiziert. Die einzelligen
(protozoischen) Parasiten verursachen die Chagas-Krankheit (Amerikanische
Trypanosomiasis), die in der akuten Phase unauffällig verläuft: Nur in jedem
dritten Fall entwickeln die Infizierten überhaupt Symptome, die dann auch noch
unspezifisch sein können, wie Fieber, Nesselsucht und geschwollene Lymphknoten.
Doch die Parasiten bleiben im Körper, und viele Jahre später kann die
chronische Chagas-Krankheit lebensbedrohlich werden, mit einer krankhaften
Vergrößerung des Herzens und einer fortschreitenden Lähmung des
Magen-Darm-Trakts.
Eine Impfung gegen den Erreger gibt es nicht, die Behandlung der
fortgeschrittenen Krankheit ist schwierig. In Lateinamerika setzt man daher auf
die Bekämpfung der Insekten, die die Chagas-Trypanosomen übertragen: Blut
saugende Raubwanzen der Insekten-Unterfamilie der Triatominae. Mit ihrem Stich nehmen sie die Trypanosomen auf, die
sich im Darm der Raubwanzen festsetzen. Durch den Kot, den die Wanzen meist
neben der Stichwunde absetzen, scheiden sie den Erreger aus, der häufig beim
Kratzen des stark juckenden Stichs unabsichtlich in die Wunde eingerieben wird.
Doch wenngleich die Zahl der Neuinfektionen in verschiedenen Regionen
zurückgegangen ist, in denen intensiv Insektizide gesprüht wurden, zeichnen
sich auch hier Probleme ab: Im letzten Jahrzehnt wurden vermehrt Resistenzen
verschiedener Raubwanzenarten gegen gängige Insektizide festgestellt. Auch werden
durch Insektizide Umwelt und Bevölkerung belastet.
Forscherinnen und Forscher weltweit arbeiten mit Hochdruck an
alternativen Methoden, mit deren Hilfe Trypanosoma
cruzi bekämpft werden kann. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen,
Bakterien im Darm der Raubwanzen genetisch so zu verändern, dass sie die Chagas-Trypanosomen abtöten oder deren Entwicklung
behindern.
Die Parasitologen und Infektionsbiologen Fanny Eberhard und Prof.
Sven Klimpel von der Goethe-Universität Frankfurt, der Senckenberg-Gesellschaft
für Naturforschung und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik
haben jetzt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Instituto René Rachou im
brasilianischen Belo Horizonte untersucht, wie Chagas-Trypansosomen die
Bakteriengesellschaft im Darm der Raubwanzen verändern. Dazu nutzten sie
Erbgutanalysen, mit denen sie die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft im
Raubwanzendarm, das Mikrobiom, vor und nach der Infektion mit dem Erreger vergleichen
konnten (metagenomische Shotgun-Sequenzierung).
Das Ergebnis: Nach der Infektion nahm die Vielfalt an Bakterien im
Raubwanzendarm deutlich ab. Bestimmte Bakteriengruppen, unter ihnen etwa das
potenziell krankheitsverursachende Bakterium Enterococcus faecalis, profitierten von der Anwesenheit des
Parasiten. Ferner gelang es den Forscher:innen, vier Bakterienarten zu
identifizieren, die wahrscheinlich für die Raubwanze wichtige Funktionen etwa
der Synthese von B-Vitaminen übernehmen.
Fanny Eberhard erläutert: „Vitamin B gehört zu den Nährstoffen,
die blutsaugende Insekten nicht über ihre Blutmahlzeiten erhalten.
Vitamin-B-herstellende Bakterien sind daher für die Raubwanzen sehr wichtig,
kommen praktisch bei allen Individuen vor und bleiben auch generationenübergreifend
im Raubwanzendarm erhalten. Solche Bakterien eignen sich daher potenziell
dafür, mit Genen für Abwehrstoffen gegen Chagas-Trypanosomen ausgestattet zu
werden.“
Prof. Sven Klimpel führt weiter aus: „Letztlich ist es unser Ziel,
dass sich die Raubwanzen selber gegen Chagas-Trypanosomen wehren und auf diese
Weise die Infektion von Menschen verhindert wird. Bevor man allerdings
Bakterien mit derartigen Eigenschaften ausstatten und Raubwanzen mit diesen
Bakterien dann freisetzen kann, müssen wir besser verstehen, wie die Ökologie
des Raubwanzendarms aussieht und wie die tiefgreifenden Interaktionen zwischen
Wirt, Erreger und Mikrobiom genau vonstattengehen. Dazu liefert unsere Arbeit
einen essentiellen Beitrag.“
Publikation: Fanny E. Eberhard, Sven Klimpel,
Alessandra A. Guarneri, Nicholas J. Tobias. Exposure to Trypanosoma parasites
induces changes in the microbiome of the Chagas disease vector Rhodnius prolixus. Microbiome (2022)
10:45. https://doi.org/10.1186/s40168-022-01240-z
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/116081371
Bildtexte:
Rhodnius prolixus_1000px.jpg
Die Raubwanze Rhodnius prolixus ist einer
der wichtigsten Überträger der Chagas-Krankheit im Norden Südamerikas und in
Mittelamerika. Foto: Dr. Erwin Huebner, University of Manitoba, Winnipeg,
Canada/ Wikimedia Commons
Rhodnius prolixus_Life_cycle.jpg
Exemplarischer
hemimetaboler Lebenszyklus der triatominen Raubwanze Rhodnius prolixus. Abgebildet sind der adulte Vektor, frisch
gelegte milchig-weiße Eier, gereifte rötliche Eier sowie die fünf
Nymphenstadien. Rote Pfeile markieren eine Blutmahlzeit für die Häutung und die
Produktion der Eier. Mittig sind häufige Wirtstiere wie etwa Hunde, Opossums
und der Mensch dargestellt. Grafik: Fanny E. Eberhard
Chagas-Wanzen in Europa:
Chagas-Wanzen
finden auch in Europa geeignete klimatische Bedingungen
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/chagas-wanzen-finden-auch-in-europa-geeignete-klimatische-bedingungen/#:~:text=Eine%20Impfung%20gegen%20die%20Chagas,80.000%20infizierten%20Menschen