Forscher der Goethe-Universität entwickeln neues Proteomik-Verfahren
FRANKFURT.
Wenn
Zellen in Stress geraten, so läuft ein komplexes und genau reguliertes Programm
ab, um bleibende Schäden abzuwenden. Als schnelle Reaktion nach einem
Stress-Signal wird beispielsweise die Herstellung von Proteinen
(Proteinsynthese) heruntergefahren. Bislang war es kaum möglich, solche akuten
Veränderungen in der Zelle zu messen. Wie in der aktuellen Onlineausgabe der
renommierten Fachzeitschrift Molecular Cell berichtet, haben Forscher
der Goethe-Universität nun eine Methode entwickelt, die dies ermöglicht.
Die Idee dazu entwickelten die Forscher, weil sie verstehen
wollten, wie spezifische Stress-Signale die Proteinsynthese beeinflussen. „Die
Herausforderung bestand darin, dass die Menge an neu produzierten Proteinen
innerhalb eines kleinen Zeitintervalls extrem niedrig ist, d.h. wir müssen mit
unseren Messungen kleinste Veränderungen von wenigen Prozent für jedes einzelne
Protein erfassen“, kommentiert Projektleiter Münch das Verfahren. Die neu
entwickelte Analysemethode verschafft seinem Team nun detaillierten Einblick in
die molekularen Ereignisse, die das Überleben der Zelle nach Stress sichern.
Die Reaktion von Zellen auf Stress spielt z.B. bei der Entstehung von Krebs und
neurodegenerativen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Das Verständnis der
zugrundeliegenden molekularen Prozesse öffnet damit auch die Tür für die
Entwicklung neuer therapeutischer Strategien.
„Die von uns entwickelte Methode ermöglicht zeitlich
hochauflösende Messungen, d.h. wir können die schnellen, innerhalb von Minuten
ablaufenden Reaktionen der Zelle auf Stress messen, gleichzeitig benötigt sie
wenig Material und ist zudem auch noch kostengünstig“, erklärt Münch. „Damit
können wir nun Tausende von Proteinen in definierten Zeitabständen nach einer
Behandlung simultan quantifizieren.“ Aufgrund der geringen benötigten
Probenmengen seien auch Messungen in Gewebeproben von Patienten möglich, was
die Zusammenarbeit mit klinischen Kollegen ermögliche. Für die Präsentation der
ersten Daten, die mit der neuen Methode erzeugt wurden, wurde Doktorand Kevin
Klann kürzlich bei einer Konferenz (EMBO) zur Proteostase in Portugal mit einem
Posterpreis des FEBS-Journals ausgezeichnet. Der junge Molekularbiologe konnte
erstmals nachweisen, dass zwei der wichtigsten zellulären Signalwege, die durch
sehr unterschiedliche Reize ausgelöst werden, letztendlich auf der Ebene der
Proteinsynthese das gleiche bewirken. Diese Entdeckung bringt das
Forschungsfeld einen entscheidenden Schritt nach vorn.
Das Projekt wird vom Europäischen Research Council (ERC) als Teil
des von Münch eingeworbenen Starting Grants mitoUPR gefördert, in dem er
Mechanismen der Qualitätskontrolle für mitochondriale Proteine untersucht.
Christian Münch wird darüber hinaus im Emmy-Noether-Programm der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ist Mitglied der Johanna Quandt
Young Academy at Goethe. Seit Dezember 2016 leitet er die Arbeitsgruppe
„Protein Quality Control“ am Institut für Biochemie II im Fachbereich Medizin
der Goethe-Universität, nachdem er zuvor in einem der führenden Proteomiklabors
an der Harvard-Universität tätig war.
Publikation:
Klann K, Tascher G, Münch C. Functional translatome proteomics reveal
converging and dose-dependent regulation by mTORC1 and eIF2α. Molecular Cell 77, 1-13, Feb
20, 2020. doi.org/10.1016/j.molcel.2019.11.010
Informationen:
Dr. Christian Münch, Institut für Biochemie II, Fachbereich Medizin,
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Tel.: (069) 6301-6599, ch.muench@em.uni-frankfurt.de.